Das Tageblatt schrieb dieses vor 2 Tagen auf ihrer Titelseite.
„HAMBURG Die Corona-Pandemie sorgt im Hamburger Einzelhandel für massive Einbußen, vor allem in der Innenstadt. Die Umsätze lägen derzeit durchschnittlich 35 Prozent unter dem Vorkrisen-Niveau, so City-Managerin Brigitte Engler. Handelskammer-Präses Norbert Aust warnt vor einem Ladensterben. sh:z“
Flensburg hat mit weniger wirtschaftlicher Kraft und höherer Arbeitslosigkeit höhere Verluste zu verzeichnen!
Wir von der Flensburger Gilde, als Vertreter der Kaufleute des Einzelhandels, fordern von der Politik sofortige Hilfe.
Hier helfen nun keine tröstenden Sprüche mehr.
Wir brauchen jetzt keine Signale von „Autofreier Innenstadt, Erhöhung der Parkgebühren, zusätzliche Verkehrsberuhigungs-Pläne wie Rathausstraße, Norderstraße, Bikelanes etc.“
Wir brauchen ein Moratorium das die Innenstadt für den geplanten „Masterplan Mobilität“ für 4-5 Jahre schützt.
Mutig wäre auch eine Realisierung seitens der Politik die Innenstadt 2 Stunden am Tag von Parkgebühren zu befreien. Gerne auch in Zeiten wo wenig Besucher in der Stadt gemessen wurden.
Wir appellieren an „Euch“ - die Immobilienbesitzer in Flensburg.
Kurzfristige Mietminderungen oder Stundungen von Mieten helfen uns nicht mehr. Schaut euch um!
Flensburger Werft, Karstadt, IBM, Dänisches Bettenlager, unzählige Einzelhändler im HOLM und Große Straße haben viel Personal abgebaut, geschlossen oder schließen demnächst.
Wir Händler brauchen bestimmt 3 bis 4 Jahre Zeit, um die aufgelaufenen Defizite aufzuholen/wenigstens die anstehenden Kosten zu bezahlen und Personal zu halten. Wir brauchen fühlbare Mietminderung.
Wir bitten nicht mehr um Hilfe – wir erwarten Hilfe!
Denn am Ende geht es um nicht weniger und auch nicht mehr, als um den Erhalt unserer lebendigen Innenstadt.
Wir lieben Flensburg!
Jens Drews Vorsitzender der Flensburger Gilde
Foto: Claritas
Artikel von Lisa Strobel
Flensburg Dusan Potocnik ist Tatortreiniger. In Zeiten der Corona-Krise beseitigt er Spuren des Virus von allen Oberflächen. Als staatlich geprüfter Desinfektor weiß er genau, welche Verfahren sinnvoll sind. Reporterin Lisa Strobel hat mit dem Wahlflensburger über seinen Job an vorderster Virus-Front am Telefon gesprochen. „Bei mir hätten Sie auch in diesen Zeiten vorbeikommen können“, sagt er und lacht. Wenn einer auf penible Einhaltung von Maßnahmen und Reinigung achtet – dann er.
Herr Potocnik, aus Spanien erreichen uns beunruhigende Bilder. Mit Schutzanzügen gekleidet, reinigen dort Desinfektoren ganze Straßen. Meinen Sie so etwas blüht auch Flensburg?
Für uns hier in Flensburg sehe ich dafür überhaupt keinerlei Notwendigkeit, öffentliche Bereiche zu desinfizieren. Die Wirkung wäre zum einen fraglich, zum anderen bringt man auch Gift in die Umwelt ein. Da können wir uns viel besser schützen, indem wir Abstand halten.
Im nicht-öffentlichen Bereich sind Sie doch als Desinfektor in Zeiten der Corona-Krise aber sicherlich sehr gefragt?
Um ehrlich zu sein, hat sich die Situation für uns nicht besonders geändert. Wir haben nicht mehr oder weniger zu tun als sonst auch. Wir haben lediglich mehr Anrufe. Die Menschen fragen, wie sie sich verhalten und welche Schutzmaßnahmen getroffen werden können. Meine Funktion in der Corona-Krise ist daher eher beratend. Natürlich aber nicht immer.
Wo sind Sie denn im Einsatz?
Wir sind in ganz Schleswig-Holstein und Hamburg unterwegs und reinigen mit dem Coronavirus kontaminierte Räume. Krankenhäuser haben zwar in der Regel eigene Desinfektoren, die dort fest angestellt sind und die Reinigungsteams leiten. Wir dagegen werden zum Beispiel zur Polizei gerufen, um den Haftraum zu desinfizieren. Aber auch in Betrieben oder bei der Feuerwehr und in Rettungswägen desinfizieren wir. Dort geht es in erster Linie darum, dass sie schnell wieder einsetzbar sind.
Ruck, zuck geht solch eine Desinfektion ja aber nicht. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Arbeit vor?
Es gibt Richtlinien, wie man in kontaminierten Bereichen arbeitet. Danach richten sich die Schutzmaßnahmen. Im Fall von Corona gehen wir komplett im Vollschutz rein. Das bedeutet Schutzanzug, Gesichtsschutz, Atemschutz und Handschutz werden direkt vor Ort angelegt. Wenn wir aus dem kontaminierten Bereich raus gehen, ziehen wir uns nochmal um, damit wir die Viren nicht verschleppen.
Und wie ist das für Sie, in Vollmontur zu arbeiten?
Heiß und anstrengend. In einem Schutzanzug ist man wie in einer Sauna. Die Unterkleidung muss man nach dem Einsatz wechseln, weil man einfach durchgeschwitzt ist. Und das in kürzester Zeit. Bei den Vollschutzmasken gibt es außerdem einen großen Atemwiderstand.
Welche Arbeitsschritte bringen Sie denn am Tatort Corona ins Schwitzen?
Vor Ort schauen wir nach dem Umziehen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Gerade in einem Betrieb, wo es viele Oberflächen gibt, wird in einer Wischdesinfektion gearbeitet. Man kann aber auch den Raum ausnebeln, wenn man viele Werkstoffe hat, die man nicht wischen kann, wie zum Beispiel Teppichboden oder andere Textilien. Das entscheiden wir vor Ort.
Was genau ist eine Wischdesinfektion?
Wir setzten eine Lösung in einem Eimer Wasser mit einer entsprechenden Desinfektionsmittellösung an. Dann tauche ich den Lappen ein, wringe ihn nicht zu stark aus und benetze alle Oberflächen. Danach wirkt das Desinfektionsmittel in Verbindung mit Wasser als Trägerstoff ein und tötet die Viren ab.
Und wie läuft eine Ausnebelung ab?
Da haben wir einen Automaten, der einen richtigen Nebel entstehen lässt und den ganzen Raum erfasst. Er setzt sich auf Wänden, Decken, Böden und Oberflächen ab und entfaltet dort seine Wirkung. Aus Gründen der Arbeitssicherheit sind wir dabei immer zu zweit.
Apropos Sicherheit – wie gefährlich ist solch ein Einsatz an vorderster Corona-Front?
Je nachdem welche Wirkstoffe man verwendet, kann allein schon die Einnebelung gesundheitsschädlich sein. Es gibt aber auch Peroxide, die unbedenklich sind und sich wieder zersetzen. Wir selber sind ja durch unsere Atemschutzmasken geschützt und nehmen davon sowieso nichts auf. Von der Gefährdung in Bezug auf das Coronavirus ist es schlichtweg egal, welches Virus man bekämpft – man schützt sich immer entsprechend, weil man ausschließen möchte, den Virus selbst in den Körper aufzunehmen. Aber dabei ist egal, welchen Namen das Virus trägt.
Wenn ich selbst infiziert bin, sollte ich nach Genesung für eine Wohnungsreinigung lieber Sie anrufen oder kann ich Corona auch in Eigenregie wegputzen?
Um andere vor einer Infektion zu schützen, kann man auch selber zuhause reinigen. Es ist aber wichtig, dass die richtigen Reiniger verwendet werden. Dazu zählen starke alkalische beziehungsweise saure Reiniger, die dem Virus den Garaus machen.
Wie sieht es mit Ihrem persönlichen Bestand an Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln aus?
Wir sind noch ziemlich gut ausgerüstet. Das liegt daran, dass wir uns Ende des letzten Jahres eingedeckt haben und jetzt einen Jahresbedarf haben.
Da sind jetzt bestimmt viele neidisch.
(lacht). Ja, uns hat aber noch niemand versucht, etwas abzuluchsen – ich habe selbst bei unserem Großhändler nochmal nachgefragt, ob wir etwas nachbekommen könnten. Negativ.
Gut, dass Sie vorgesorgt haben. Seit wann gibt es Ihre Firma Claritas in Flensburg eigentlich?
Die Firma Claritas habe ich 2006 aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründet und Stück für Stück aufgebaut. Mittlerweile sind wir 17 Mitarbeiter, und ich habe mich immer weiter professionalisiert. Ich hab einfach etwas gemacht, was ich ziemlich gut kann.
Wie meinen Sie das?
Ich habe irgendwann mal festgestellt, dass ich gewisse Dinge – gerade im Bereich der Tatortreinigung – einfach kann. Ich habe nicht nur das Wissen, sondern auch das Handeling. In jedem Augenblick ist es eine Herausforderung an meine persönliche Sicherheit und Psyche.
Was macht das denn mit Ihrer Psyche, täglich an vorderster Corona-Front zu sein?
Weil die Desinfektion auch eine Tätigkeit ist, die ich vorher schon so gemacht habe, beeinflusst mich das nicht wirklich.
Spielt der Faktor Angst keine Rolle?
Angst ist für den Menschen etwas unfassbar wichtiges. Wenn wir mit etwas konfrontiert werden wie dem Coronavirus, dann löst das Angst aus, weil wir ihn nicht kennen und nicht wissen, wie er wirkt oder welche Auswirkungen er hat. Angst ist aber nichts Negatives, sondern soll uns vor etwas beschützen. Angst lässt uns vorsichtig sein.
Quelle: https://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/tatort-corona-dusan-potocnik-im-einsatz-als-desinfektor-id28035202.html
Artikel von Frank Jung /SHZ
KIEL Einen Monat nach einer schrittweisen Wiedereröffnung zieht der Einzelhandel in Schleswig-Holstein eine ernüchternde Bilanz. „Die Nachfrage ist überschaubar“, resümiert Mareike Petersen, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord. Die Umsätze hätten sich innerhalb von vier Wochen mühsam von zunächst 40 auf jetzt 60 Prozent des Vorjahresniveaus heraufgerobbt. Das gelte summa summarum über sämtliche Branchen und Standorte. Speziell in den Innenstädten sei es noch mauer.
„Fußgängerzonen haben noch mehr zu kämpfen, weil ihnen zum Beispiel bisher der Tagestourismus gefehlt hat“, sagt Petersen. Auch sei die Lust am Bummeln nur wenig spürbar – doch gerade dabei können die Innenstädte ihren Trumpf ausspielen. „Es geht den Kunden jetzt um Zielkäufe“, so die Einzelhandelsexpertin. Heißt: Man weiß schon im Voraus genau, was man sucht, holt es sich und geht wieder raus. „Das nach links und rechts Gucken fehlt komplett.“ Petersen sieht dafür ein Bündel an Ursachen: ein eingeengtes Gefühl unter der Maske, Sorge vor Ansteckung, finanzielle Engpässe durch Kurzarbeit, Jobverlust oder Furcht davor. Den boomenden Online-Handel hingegen betreffen die ersten beiden Faktoren nicht. Vergleichsweise am besten gingen in Läden Sortimente aus Freizeit, Garten, Sport „und allem, was das Zuhause schöner macht“. Schwer getroffen sei die Textilbranche. Sie lebt besonders vom Gucken und Anprobieren mit Muße – und wird zudem enggetaktet mit Saisonware beliefert, die sich schnell staut.
„Auch der Wegfall der 800-Quadratmeter-Begrenzung vor zwei Wochen hat wenig gebracht“, urteilt Anja von Allwörden von „Rendsburg Marketing“. „Das Verhalten der Kunden ist verhalten.“ Gefühlt habe die Frequenz in der Ladenstraße allenfalls die Hälfte der Vor-Corona-Zeit erreicht. „Die Leute machen Besorgungen, nicht mehr.“ Wartezeiten gebe es wenn überhaupt nur vor ganz kleinen Läden. „Es ist so schade, die Geschäftsleute sind alle so bemüht und freundlich“. Lange Gesichter auch ganz im Norden: „Die Stimmung ist nicht gut“, berichtet Jens Drews, Sprecher der „Flensburger Gilde“. „Man merkt, dass viele in Kurzarbeit sind und dass durch die geschlossenen Grenzen die Skandinavier fehlen. Von denen leben wir ja zu einem sehr großen Teil.“ Etwas Optimismus schöpft Drews aus der vor wenigen Tagen wiedereröffneten (Straßen-)Gastronomie. „Das bringt hoffentlich ein Grundrauschen für eine positivere Stimmung und lockt den ein oder anderen, der dann auch etwas kauft. Sicher erscheint Drews dennoch, „dass viele Betriebsschließungen anstehen“. „Wir gehen davon aus, dass die Insolvenzen erst im Herbst kommen“, sagt Handelsverbands-Geschäftsführerin Petersen. Stundungen etwa von Mieten oder Sozialbeiträgen und das Kurzarbeitergeld für das Personal könnten dann an ein Ende kommen.